Die Einzelausstellung von Thomas Nitz präsentiert einen einzigartigen Blick auf die Gegenwart, Gleichzeitigkeit und die Schnittstelle dazwischen. Als renommierter Fotograf setzt Nitz den Fokus auf das Rudimentäre, ohne sich einer speziellen Philosophie zu verschreiben. Vielmehr spiegelt er die Brutalität der Zeit wider und verleiht seinen Werken eine einzigartige Haptik, Abstraktion und Ästhetik durch die Verwendung von Analogfotografie.
Die Einzigartigkeit von Nitz‘ Herangehensweise zeigt sich in der Art und Weise, wie er Negative durch das Kontaktverfahren mit flüssiger Fotoemulsion auf selbst beschichteten Karton entwickelt. Auf diese Weise lässt er bewusst die klaren Grenzen zwischen Malerei und Fotografie verschwimmen. Nitz wählt Aquarellkartons, die er sorgfältig mit Farbe grundiert und mit einer lichtempfindlichen Emulsion präpariert. Die manuelle Bearbeitung bildet die Grundlage seiner Kunstwerke, da jeder Karton individuell ist und das Ergebnis unvorhersehbar beeinflusst. Jede Aufnahme ist nicht beliebig reproduzierbar, und jeder Abzug unterscheidet sich auf faszinierende Weise von den anderen.
In der Ausstellung ‚inzwischen‘ werden verschiedene Serien, darunter ‚Crossover‘, ‚Lost‘ ‚Brut‘ und ‚Screenshot‘ präsentiert. Die Serien bieten einzigartigen Einblick in Nitz‘ künstlerisches Schaffen.
In seiner Serie ‚Crossover‘ führt der Berliner einen innovativen Ansatz. Er beginnt die Shootings stets mit einer Zeichnung. Die Modelle werden mit groben Mitteln wie Grillkohle auf eine große Leinwand gemalt. Anschließend platziert Nitz das Modell vor der Zeichnung und belichtet in einer Langzeitbelichtung. Das Ergebnis wird bereits Minuten nach der Aufnahme sichtbar. Die abgebildeten Personen verschmelzen mit der Zeichnung, und ihre unscharfen Schatten zeigen ihre Präsenz auf ungewöhnliche Weise. Nitz schafft somit nicht nur Fotografien, sondern einzigartige Kunstwerke, die den traditionellen Rahmen zwischen Malerei und Fotografie aufbrechen.
Das Besondere dabei ist, dass die vorher angefertigten Zeichnungen nicht aufbewahrt werden, sondern nach jeder Sitzung vernichtet und übermalt werden. Übrig bleibt nur ein Negativ, das als ‚Lost“‚ erneut fotografisch auftaucht. In der Serie ‚Lost‘ geht der Künstler bewusst auf die Umkehrung herkömmlicher Werte ein. Er schafft Unikate in einer Ära der endlosen Reproduktion und lässt Vorzeichnungen nur in der entstandenen Fotografie überleben. Die groben Skizzen, fast schon manisch anmutend, transportieren Rausch, Erotik und Wut – eine Fülle von Emotionen, die nach der Vernichtung der Skizzen nur noch als Erinnerung im Abbild bleibt.
Die Serie ‚Brut‘ hingegen erforscht das Verständnis von Ästhetik und geht bewusst darüber hinaus. In einer Abtrennung zur konventionellen Foodfotografie setzt Nitz auf das Pure, Rohe und Grobe. Mit großformatiger Schwarz-weiß-Technik und gezielter Ablichtung von oben überschreitet er die Grenze vom Appetitlichen zum Unappetitlichen. Diese Ausdrucksform bringt die Foodfotografie in einen Bereich jenseits des Gefälligen, wo die Fantasie die Auffassung des Ekels überschreiten möchte.
Die Ausstellung schließt mit ‚Screenshots‘ von Kriegsaufnahmen. Weiter dazu kein Kommentar.
„Thomas Nitz – Inzwischen“ lädt dazu ein, die Vielschichtigkeit der Zeit durch die Linse des Fotografen zu betrachten und sich mit der gleichzeitigen Existenz verschiedener Realitäten auseinanderzusetzen.