Grenzen überschreiten, Übergänge wagen, in unbekannte Bereiche vordringen – transgressive Prozesse sind Teil des Lebens. Wir überschreiten Grenzen, mal unsere eigenen, mal gesellschaftliche – mal ohne es zu merken, mal ganz bewusst. Mit genau diesen Grenzüberschreitungen setzt sich Terence Carr künstlerisch auseinander, etwa in seiner Skulpturenserie „Sieben Sünden“. Im Christentum sind Sünden das Gegenteil der Tugenden und der Mensch im ständigen Konflikt. Seit Urzeiten sind wir Verlockungen ausgesetzt, sie reichen von Faulheit, Habsucht, Neid und Stolz zu Unzucht, Völlerei und Zorn. Carr setzt bei seinen „Sieben Sünden“ auf eine klar verständliche Formensprache, die direkt und unmittelbar wirkt. Trotz dieser Deutlichkeit sind die kompakt komponierten Plastiken voller Details, expressiv gestaltet und filigran gearbeitet.
Den Skulpturen liegen Skizzen zugrunde, die als Wachsmodell gearbeitet und in Bronze gegossen sind. Am Ende wird jede einzelne Sünde in klaren, leuchtenden Farben gefasst, die die Beziehung innerhalb der Skulptur noch einmal mehr zur Geltung bringen. Trotz der sündhaften Thematik versprühen die Bronzefiguren lebendige Fröhlichkeit, die unverkennbar Terence Carrs Handschrift tragen. Carr arbeitet sonst am liebsten mit großen Holzblöcken. Mit der Kettensäge lässt er sich von der Intuition und dem Material selbst leiten. Das Holz bleibt als Werkstoff immer sichtbar, die Spuren der Säge werden als verbildlichter Prozess Teil der Skulptur und durch die Farbe betont. Die Holzskulpturen gießt Terence Carr zusätzlich in Bronze. Wo die Holzfigur mächtig und markant wirkt, kommt die Bronzeskulptur kleinteilig und feingliedrig daher. Auch in Bronze sind die groben Schnitte sichtbar. Die Eigenschaft des Holzes wird in Metall transformiert. Doch wirken die markanten Bearbeitungsspuren in Metall gegossen nicht rau, sondern zart und filigran. Die Nebeneinanderstellung der Holz- und Bronzeskulpturen verdeutlicht, wie auch unsere Wahrnehmung Grenzen überschreitet. Zwei eigentlich gleiche Objekte wirken in der Betrachtung doch ganz unterschiedlich. Ähnliches gilt für die Sünden: Wo eine Person nur Faulheit sieht, erkennt eine andere die Fähigkeit, sich Zeit für sich zu nehmen.
Transgressive Prozesse finden sich auch in der Biografie des in Kenia geborenen. Er verlässt Afrika als junger Mann für eine Militärlaufbahn bei der britischen Armee. Als er in Deutschland stationiert wird, kommt er nicht nur an die innerdeutsche Grenze, sondern auch an die eigene. Auf Konfrontationskurs mit den indoktrinierten Werten und Tugenden entschließt sich Carr, mit dem Soldatenleben zu brechen. Er verlässt die Armee und studiert Kunstpädagogik in Augsburg, um danach als freischaffender Künstler seinen Weg zu gehen. Seine Œuvre zeugt nicht nur von den afrikanischen Wurzeln, sondern auch von der Auseinandersetzungen mit dem Krieg. Tugend und Sünden ziehen sich wie ein roter Faden durch sein künstlerisches Schaffen. Unter bunten Farbschichten verpackt er ernste Themen. Mal versteckt und symbolträchtig, mal klar und unmittelbar, immer wild und expressiv.