Kunst und Tattoos – auch wenn es viele Berührungspunkte gibt, gehören die Bildende Kunst und das Tätowieren noch immer verschiedenen Welten an. Die Tätowierung erhob sich im Laufe der Zeit zunehmend aus der Rolle eines Stigmatas und wandelte sich zum Massenphänomen. Seit den 1970er- und 1980er-Jahren wurden Tattoos auch Gegenstand der Kunst, etwa bei Performances mit Valie Export oder Timm Ulrichs, doch noch immer besteht eine große Diskrepanz in der Bewertung der klassischen Künsten und dem Kunsthandwerk des Tätowierens. Pham Thai Ho wagt in seinen Arbeiten den Brückenschlag. Der aus Vietnam stammende Berliner Künstler Pham Thai Ho hat noch während seines Studiums an der Akademie der Künste in München mit dem Tätowieren angefangen. Als Akademieabsolvent und etablierter Tätowierer ist er Teil beider Kunstwelten. Als Tätowierer sucht er immer neue künstlerische Ausdrucksweisen und erhebt so das Tätowieren aus seiner Tradition als handwerkliche Tätigkeit. Gleichzeitig beschreitet der Künstler neue Wege in der Kunst, indem er Tätowierungen und die mitschwingenden gesellschaftlichen Vorurteile in den künstlerischen Diskurs stellt.
In vier Werkgruppen setzt sich Pham Thai Ho mit dem Spannungsfeld Tätowierung, Kunst und Gesellschaft auseinander. Für die Werkgruppe „Power Violence“ beklebt der Künstler acht Baseballschläger mit „Dickpicks“ aus dem Internet. Mit den Skulpturen nimmt Pham Thai Ho Bezug auf seine letzte Bilderserie „Selfish Cocks“. Beiden Serien liegt die Kritik an der männlichen Dominanz gegenüber Frauen aber auch generell körperlich Schwächeren inne. Das männliche Glied wird als Knüppel präsentiert, der der Erniedrigung anderer dient.
In seinen Malereien bedient sich der Künstler an Werken bekannter Künstler wie Egon Schiele oder Rubens. Er selektiert die Bereiche mit Körperteilen aus den Gemälden, druckt sie aus und „tätowiert“ diese mit typischen Tattoomotiven. Anschließend gibt er den Arbeiten in der Tradition des Meisterstrichs mit einer Ölmischtechnik den letzten Schliff. In dieser Zusammensetzung von klassischen Meisterwerken und typischen Motiven aus der Tattooszene, kombiniert Pham Thai Ho zwei gegensätzliche Bereiche, erhebt sie aus ihrem Kontext und präsentiert sie als neue Einheit.
Die Installation „Only god can judge me“ besteht aus einer männlichen und weiblichen Gummipuppe und einem beleuchteten Schild mit der Aufschrift „only god can judge me“. Beide Puppen werden mit Abbildungen von Adam und Eva aus der Bildenden Kunst im Klebetattooverfahren beklebt. Sex, Masturbation und Tattoos – noch immer Tabus unsere Gesellschaft – werden hier mit dem Sündenfall in Verbindung gesetzt.
In „Der ewige Chinese“ thematisiert Pham Thai Ho rassistische Erfahrungen. Das auf Bierdeckel gedruckte Selfie, in klischeehafter Form mit zu Schlitzen geformten Augen und nett lächelnd, nimmt Bezug auf die Ausbildung des Künstlers als Bierbrauer in einer bayerischen Traditionsbrauerei. In diesem traditionellen Lehrberuf war der Künstler immer wieder mit den Themen Tradition und Rassismus konfrontiert. Die Bierdeckel mit Selbstporträt werden in einem Bauchladen zum Kauf angeboten.